Viele Arbeitnehmer kennen es: Das Weihnachtsgeld, oft als freiwillige Sonderzahlung oder Gratifikation bezeichnet, wird jährlich als kleine Anerkennung gezahlt. Doch was passiert, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen vor Jahresende verlässt? Muss das Weihnachtsgeld trotzdem anteilig gezahlt werden? Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts zeigt, dass Arbeitgeber hier vorsichtig sein sollten.
Der Fall
Die Klägerin war von Mai 1999 bis September 2000 als Steuerfachangestellte bei einer Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag sah neben dem monatlichen Bruttogehalt auch Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld in Höhe von 75 % eines Monatsgehalts vor.
Im Austrittsjahr 2000 verlangte sie anteiliges Weihnachtsgeld für die Monate Mai bis September. Das Arbeitsgericht wies ihre Klage zunächst ab, da die Beklagte argumentierte, es handele sich um eine Gratifikation, die nur im Zusammenhang mit Betriebstreue gezahlt werde, und die Zahlung somit nur fällig sei, wenn das Arbeitsverhältnis zu Weihnachten noch bestehe.
Das Landesarbeitsgericht änderte die Entscheidung jedoch: Die Klägerin hatte Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld.
Wichtige juristische Grundlagen
- Arbeitsentgelt vs. Gratifikation
Entscheidend ist, ob die Zahlung als laufendes Arbeitsentgelt oder als freiwillige Gratifikation zu verstehen ist. Laufendes Entgelt muss anteilig gezahlt werden, Gratifikationen können an zusätzliche Bedingungen wie die Betriebstreue geknüpft sein. - Vertragliche Regelung
Im geschilderten Fall sah der Arbeitsvertrag das Weihnachtsgeld vor, ohne besondere Voraussetzungen oder Bedingungen zu nennen. Das spricht stark für den Entgeltcharakter der Zahlung. - Beweislast und Sprachgebrauch
Das Bundesarbeitsgericht hat zwar betont, dass „Weihnachtsgeld“ im allgemeinen Sprachgebrauch häufig nur an Arbeitnehmer gezahlt wird, die zu Weihnachten im Unternehmen sind. Doch diese Annahme muss im Streitfall bewiesen werden – und verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. - Systematische Vertragsauslegung
Der Vertrag fasst sämtliche Vergütungsbestandteile in einem Paragraphen zusammen: Bruttogehalt, Fahrtkostenerstattung, vermögenswirksame Leistungen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld. Daraus folgert das Gericht, dass auch das Weihnachtsgeld als Vergütung für die geleistete Arbeit zu verstehen ist.
Das Urteil in der Praxis
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Klägerin für das Jahr 2000 einen Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld hatte. Die Berechnung orientierte sich an der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses:
Die Beklagte musste die Zahlung zuzüglich Zinsen leisten.
Fazit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- Arbeitgeber sollten klar regeln, unter welchen Bedingungen Weihnachtsgeld gezahlt wird. Wird es als Arbeitsentgelt definiert, entsteht anteilig auch bei vorzeitigem Austritt ein Anspruch.
- Arbeitnehmer haben Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld, wenn im Arbeitsvertrag keine besonderen Bedingungen für die Zahlung im Austrittsjahr genannt werden.
- Beweislast beachten: Im Streitfall muss der Arbeitgeber nachweisen, dass eine Gratifikation mit Bedingungen gemeint war.
Dieses Urteil zeigt deutlich: Weihnachtsgeld ist nicht automatisch eine freiwillige Sonderzahlung – häufig handelt es sich um normales Arbeitsentgelt, das auch anteilig zu gewähren ist. Wer als Arbeitgeber hier nicht eindeutig vertraglich regelt, riskiert Zahlungsverpflichtungen und Gerichtsverfahren.
Quelle: https://openjur.de/u/93453.html