120.000 € Abfindung. BAG fällt wegweisendes Urteil.

Abfindung BAG Urteil

Der Kläger, geboren 1946, war 43 Jahre lang bei der Beklagten beschäftigt. Nach Ankündigung von Massenentlassungen einigten sich Arbeitgeber, IG Metall und Betriebsrat 2006 auf einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Der Sozialplan sah unterschiedliche Abfindungen für Arbeitnehmer bis 59 Jahre und ältere Arbeitnehmer vor. Der Kläger erhielt daraufhin eine Abfindung von 60.800 €, hielt diese aber für zu niedrig und klagte auf die volle Höchstabfindung von 120.000 €.


Streitpunkt

Die zentrale Frage war, ob die Altersdifferenzierung im Sozialplan eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellt und wie der Kläger altersmäßig einzuordnen ist.

  • § 5 Abs. 1a Unterpunkt 1 des Sozialplans: „bis zu 59-jährige Mitarbeiter“
  • § 5 Abs. 1a Unterpunkt 2: „ältere Mitarbeiter“

Der Kläger war zum Stichtag 30. Juni 2006 59 Jahre alt. Die Vorinstanzen hatten ihn fälschlicherweise unter die „älteren Mitarbeiter“ eingeordnet.


Rechtliche Würdigung

  1. Auslegung des Sozialplans
    • Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung sprechen dafür, dass „bis zu 59-jährige Mitarbeiter“ diejenigen sind, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
    • Der Kläger fällt demnach unter Unterpunkt 1 und hat Anspruch auf die Höchstabfindung.
  2. Wirksamkeit der Regelung
    • Sozialpläne dürfen die Abfindung nach Betriebszugehörigkeit staffeln.
    • Die Differenzierung nach Alter und Betriebszugehörigkeit ist zulässig und verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder § 75 BetrVG.
  3. Altersdiskriminierung und AGG
    • § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erlaubt ausdrücklich, Sozialplanleistungen nach Alter oder Betriebszugehörigkeit zu staffeln, auch wenn dies jüngere Arbeitnehmer mittelbar benachteiligt.
    • Diese Regelung ist EU-konform (Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG), da ein legitimes sozialpolitisches Ziel verfolgt wird: Ältere Arbeitnehmer haben geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, daher ist ihre stärkere Abfindung gerechtfertigt.
  4. Zinsansprüche
    • Die Zahlung der Abfindung inklusive Zinsen teilweise korrekt; der weitergehende Zinsanspruch des Klägers wurde jedoch nicht vollständig anerkannt.

Entscheidung

  • Revision des Klägers teilweise erfolgreich: Er hat Anspruch auf die volle Abfindung von 59.200 € nebst Zinsen, da er unter die Regelung für „bis zu 59-jährige Mitarbeiter“ fällt.
  • Rechtmäßigkeit des Sozialplans bestätigt: Keine unzulässige Altersdiskriminierung; Differenzierung nach Betriebszugehörigkeit und Alter ist gedeckt.
  • Kostenregelung: Die Beklagte trägt die Kosten von Berufung und Revision, die Parteien je die Hälfte der Kosten des ersten Rechtszugs.

Kernaussagen

  • Sozialpläne dürfen Alters- und Betriebszugehörigkeitsstaffelungen vorsehen.
  • Differenzierungen, die ältere Arbeitnehmer stärker begünstigen, sind zulässig und AGG-konform.
  • Die konkrete Altersgrenze ist entscheidend: „bis zu 59-jährige“ = noch nicht 60.
  • Ältere Arbeitnehmer erhalten höhere Abfindungen, um Einkommensverluste und geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen.

Quelle: https://openjur.de/u/171727.html